Phagen - „Bakterienfresser“ gegen gefährliche Infektionen
Shownotes
Am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung untersuchen Wissenschaftler:innen die Mechanismen von Infektionskrankheiten und ihrer Abwehr. Die Ergebnisse der Grundlagenforschung entwickeln wir systematisch in Richtung medizinischer Anwendung. Zu den wissenschaftlichen Fragestellungen, die wir bearbeiten, gehören:
- Was macht Bakterien oder Viren zu Krankheitserregern?
- Warum sind manche Menschen besonders empfindlich, andere dagegen widerstandsfähig gegenüber Infektionen?
- Wie können wir in Infektionsprozesse eingreifen?
- Wie übertragen wir unsere Erkenntnisse auf die Anwendung beim Menschen?
Zur Klärung solcher Fragen untersuchen wir Erreger, die medizinisch relevant sind oder die als Modell für die Erforschung von Infektionen genutzt werden können. Das Verständnis dieser Mechanismen wird dazu beitragen, Infektionskrankheiten durch neue Medikamente und Impfstoffe zu bekämpfen. Ziele
Aufgabe des Zentrums ist es, zur Bewältigung der Herausforderungen beizutragen, die Infektionskrankheiten im 21. Jahrhundert an Medizin und Gesellschaft stellen. Seine Forschungsschwerpunkte hat das HZI im Programm Infektionsforschung festgelegt. Das Programm legt besonderes Gewicht auf den Transfer von Forschungsergebnissen in die Anwendung, auf die individualisierte Infektionsmedizin und die Anwendung von Informations- und Datentechnologien für die Infektionsforschung.
Wenn ihr mehr über das HZI erfahren wollt, dann schaut doch einmal im Netz unter www.helmholtz-hzi.de vorbei.
Transkript anzeigen
00:00:00: Stell dir vor, du guckst auf ein winziges
00:00:03: Etwas.
00:00:04: Das aussieht wie so ein kleiner Roboter.
00:00:09: Oder ein Alien.
00:00:14: Kein Science Fiction, sondern ein nur wenigen Nanometer großes Virus.
00:00:20: Viren, die für uns nicht gefährlich sind.
00:00:22: Im Gegenteil, sie sind wie speziell ausgebildete Bakterienjäger.
00:00:28: Bakterielle Infektionen gegen die klassische Medikamente wie Antibiotika nichts mehr ausrichten können, könnten mit diesen Viren wieder in den Griff bekommen werden.
00:00:39: Wie das funktioniert?
00:00:41: Phagen docken an die Oberfläche von Bakterien an, schleusen ihr Erbgut in die Zelle und übernehmen die Kontrolle.
00:00:48: Sie programmieren das Bakterium so um, dass es nur noch Fagenerbgut produziert.
00:00:53: Schließlich platzt die Bakterienzelle auf und viele neue Fagen sind bereit, die Infektion weiter zu bekämpfen und bestenfalls zu eliminieren.
00:01:02: Soweit die Theorie.
00:01:04: In der Praxis ist das alles andere als einfach.
00:01:08: Unter anderem deshalb, weil Bakterien wie gegen Antibiotika auch gegen Phagen ihre eigenen Abwehrstrategien entwickeln.
00:01:16: Und genau hier setzt die Forschung von Junior-Professor Jens Hör an.
00:01:20: Er leitet die Forschungsgruppe molekulare Grundlagen von RNA-Phagen am Helmhäus-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung.
00:01:27: Kurz, HIRI, das ist ein Standort des HZI in Kooperation mit der Julius Maximilians-Universität Würzburg.
00:01:35: Warum Jens Höher gerade RNA-Phagen erforscht, was sie von DNA-Fagen unterscheidet und was noch passieren muss, damit Fagen in Deutschland großflächig therapeutisch eingesetzt werden können?
00:01:46: Das besprechen wir hier.
00:01:50: Wie lösen Bakterien und Virenkrankheiten aus?
00:01:53: Wie währt sich unser Immunsystem dagegen?
00:01:56: Und was müssen Wirkstoffe können, um gefährliche Infektionen zu bekämpfen?
00:02:00: Am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, kurz
00:02:03: HZI,
00:02:04: wird nach
00:02:05: Antworten auf diese Fragen
00:02:06: gesucht.
00:02:07: Wie diese Forschung funktioniert, wie die Ergebnisse in der Medizin genutzt werden und wer die Menschen sind, die hier forschen, das hört ihr hier bei Infekt, dem Podcast des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung.
00:02:20: Ich bin Julia Demann, Biologin und Wissenschaftsjournalistin.
00:02:24: Hi!
00:02:25: Hallo Jens, schön, dass wir heute miteinander sprechen können.
00:02:28: Hallo Julia.
00:02:30: Ja, wir duzen uns, das ist einfach üblich in der Wissenschaftskommunität und wir sprechen heute remote miteinander.
00:02:36: Ich sitze in Köln und du sitzt in Institut in Würzburg und du leitest ja am Hieri die Forschungsgruppe molekulare Grundlagen von RNA-Fragen.
00:02:49: Was Sind Fagen eigentlich überhaupt vielleicht mal so als Basis?
00:02:53: Also Fagens sind im Endeffekt einfach Viren, die Bakterien infizieren und ausschließlich Bakterien infizieren.
00:03:01: Das heißt also für Menschen beispielsweise sind die überhaupt nicht gefährlich und der generelle Lebenszyklus zum Beispiel von den Viren ist sehr ähnlich zu Viren, die wir bei Menschen kennen wie beispielsweise Corona oder Influencer.
00:03:18: Genau gleich wie bei humanen Viren können sich diese bakteriellen Viren, also die Fagen zum Beispiel auch nur mithilfe ihres Wirts vermehren.
00:03:26: Das heißt also, solange sie nicht ein Bakterium infiziert haben, können sie sich überhaupt nicht vermehren.
00:03:32: Das heißt, sie sind also wirklich intracelluläre Parasiten, die absolut auf die Infektionen angewiesen sind.
00:03:39: Der große Unterschied, man hat gesehen davon, dass eben nur Bakterien von ihnen infiziert werden, ist zum Beispiel bei der... Struktur des eigentlichen Virus, die haben in der Regel zum Beispiel so eine Kopfschwanzstruktur, was die eukaryontischen Viren beispielsweise überhaupt nicht haben.
00:03:58: Ja, die haben ja so ein ganz charakteristisches Aussehen irgendwie.
00:04:02: Das hat so ein bisschen was Futuristisches, finde ich manchmal.
00:04:05: Ja, genau.
00:04:06: Also im Endeffekt sieht es so ein bisschen aus wie so ein zwanzigseitiger Würfel mit einem verlängerten Schwänzchen dran.
00:04:15: Und oft sind am Ende dieses Schwänzchen, wie so Füße sieht es beispielsweise aus, die halt benötigt werden, um an den Wirt in dem Fall an die Bakterien zu binden.
00:04:25: Wie so ein Mondlandemodul sozusagen.
00:04:28: Aber
00:04:28: du erforscht ja RNA-Phagen.
00:04:31: Ich glaube... Geläufiger sind ja so die DNA-Phagen, was ist denn so der Unterschied?
00:04:36: Ja, also die sind tatsächlich fundamental anders.
00:04:39: Beispielsweise diese Struktur wird, die wir gerade besprochen haben, die trifft auf RNA-Phagen, beispielsweise überhaupt nicht zu.
00:04:45: Also die haben tatsächlich nur diesen Kopfteil, also was in dieser zwanzigseitige Würfe im Prinzip ist, und den Rest, den haben sie gar nicht.
00:04:53: Das heißt, rein von dem, wie die Viren an sich aussehen, sind sie sehr ähnlich zu humanen Viren, beispielsweise.
00:05:00: Und wenn wir uns jetzt kurz die DNAPhagen anschauen, die haben also DNA als ihr genetisches Material.
00:05:07: Und das ist.
00:05:08: der Großteil der Fagen, also wahrscheinlich über ninety-fünf Prozent der Fagen haben DNA als Genom.
00:05:13: Und das sind auch die häufigsten Viren überhaupt.
00:05:16: Und das sind sogar die häufigste biologische Entität, die wir überhaupt auf der Welt kennen.
00:05:21: Aber im Gegensatz dazu haben RNA-Fagen eben RNA als genetisches Material in Anstelle von DNA.
00:05:28: Und diese RNA kann sowohl einzelsträngig als auch doppelsträngig sein.
00:05:33: Was bei den RNA-Phagen wichtig ist, ist, dass die, wie schon gesagt, eher seltener sind als DNA-Phagen, aber dadurch werden sie auch deutlich weniger erforscht.
00:05:43: Und wir haben viel weniger Verständnis für die Biologie von diesen Fragen beispielsweise.
00:05:49: Und eine der Gründe ist, dass wir viel weniger von denen auch kennen.
00:05:55: Das heißt, Sie werden viel selten isoliert aus der Natur beispielsweise und erst über die letzten paar Jahre haben wir über neue Sequenziermethoden verstanden, dass die eigentlich viel häufiger in der Umwelt sind, als wir bisher gedacht haben.
00:06:13: Also in vielen Bereichen in der Umwelt sind die häufigsten RNA-Viren, also häufiger als Viren, die beispielsweise uns oder Tiere infizieren.
00:06:25: Aber das ist tatsächlich was, was wir erst über die letzten, ich sag mal, fünf bis zehn Jahre ungefähr mehr und mehr verstanden haben.
00:06:33: Und dadurch, dass die eben RNA als Genom haben und keine DNA haben, haben die auch in der Zelle während der Infektion im Bakterium keinen DNA-Zwischenschritt.
00:06:47: Und dadurch können die beispielsweise nicht erkannt werden von bakteriellen Systemen, die die DNA erkennen.
00:06:54: Also CRISPR-CAS zum Beispiel ist, denke ich, ein geläufiger Begriff, was eben DNA erkennen kann.
00:07:01: Das ist bei RNA-Fragen eben deutlich schwieriger, weil eben die DNA nicht existiert.
00:07:08: Jetzt hast du CRISPR-CAS schon angesprochen.
00:07:11: Da würde ich jetzt gerne darauf zu sprechen kommen.
00:07:14: Was... Was ist denn das?
00:07:17: Kann man das vergleichen mit einem Immunsystem der Bakterien?
00:07:21: Wie wehren sich Bakterien gegen Viren?
00:07:23: Genau, also CRISPR-CAS ist im Endeffekt genau das.
00:07:26: Es ist ein bakterielles Immunsystem.
00:07:31: Bakterien kann man sich auch wieder so ein bisschen wie das menschliches Immunsystem vorstellen, nur eben auf der deutlich weniger komplexen Ebene.
00:07:42: Das heißt, Vor Jahrzehnten wussten wir schon, dass Bakterien Restriktionsmodifikationsenzyme zum Beispiel nutzen, die infizierende Phagen erkennen können und dann die Infektion stoppen können.
00:07:57: Und CRISPR-CAS ist auch so ein System, dass die infizierende DNA von Phagen erkennen, dann schneiden kann und dadurch die Infektion stoppen kann.
00:08:10: Wir kennen heutzutage Spokas natürlich in erster Linie für die Manipulation von Genomen beispielsweise, also Genetik und so weiter.
00:08:18: Aber die natürliche Funktion davon ist tatsächlich Verteidigung gegen Fageninfektion in Bakterien.
00:08:25: Aber in den letzten, ich sag mal, ungefähr sechs bis sieben Jahren haben wir immer mehr von diesen bakteriellen Immunsystemen gefunden.
00:08:35: Wir wissen mittlerweile von über zwei Hundert verschiedenen.
00:08:40: zusammen ist das quasi das bakterielle Immunsystem und wir haben auch mittlerweile verstanden, dass sehr viele menschliche Immunsysteme, beispielsweise ihren evolutionären Ursprung in diesen Bakterien im Immunsystem haben.
00:08:56: Das heißt, sie sind wirklich schon teilweise sehr alt evolutionär betrachtet und waren sehr erfolgreich und das sind deshalb eben auch in der Evolution geblieben.
00:09:05: Was
00:09:06: können wir denn sonst noch so von dem Miteinander oder vielleicht kann man fast eher sagen, gegeneinander von Fagen und Bakterien lernen?
00:09:13: Also, wir wissen irgendwie, wir können ... offensichtlich was über unsere eigene Immunsysteme lernen.
00:09:19: Ja, aber was kann man dann doch mit den Fagen da so machen?
00:09:23: Ja, also das ist, wie schon erwähnt, ist das natürlich eine wichtige Sache, die man machen kann.
00:09:28: Man kann tatsächlich verstehen, wie hat sich das Immunsystem von höheren Organismen, also es sind nicht nur Menschen, es sind auch Pflanzen beispielsweise, wie haben die sich eigentlich entwickelt, auch wie haben sich humane Viren beispielsweise entwickelt.
00:09:41: Also viele von denen sind evolutionär auch, stammen die von Fagen ab tatsächlich.
00:09:47: Und in der Fagen Forschung, was auch extrem wichtig ist, ich hatte es mit CRISPR schon angesprochen, ist, dass Fagen eine sehr wichtige Quelle für molekularbiologische Werkzeuge sind.
00:09:59: Das bedeutet CRISPR zum Beispiel, was wir für Genetik benutzen können, aber auch zum Beispiel einzelne Enzyme wie zum Beispiel RNA-Polymerasen, die in der Herstellung von mRNA-Vakzinen zum Beispiel absolut essentiell sind.
00:10:15: Und andere Enzyme und Werkzeuge, die wir mehr im Labor beispielsweise einsetzen, kommen sehr viele davon, kommen eben aus Fagen, weil die oft sehr minimal und auch sehr robust sind.
00:10:29: Also das ist wirklich eine extrem wichtige Quelle.
00:10:32: Und natürlich sind Fagen auch der natürliche Feind von Bakterien.
00:10:37: Wir haben ja schon besprochen, dass es eben Viren sind, die Bakterien infizieren und dementsprechend auch abtöten können.
00:10:43: Und dementsprechend können Phagen beispielsweise auch als Therapiemöglichkeiten gegen Infektionen eingesetzt werden.
00:10:53: Bevor wir jetzt gleich weiter bei die Therapiemöglichkeiten von Phagen sprechen, würde ich gerne noch einmal wissen, dass Hiri, das beschäftigt sich ja generell mit RNA.
00:11:05: Also das hat mir gerade schon mal so ein bisschen den Unterschied bei den Phagen besprochen.
00:11:09: mit RNA und eben auch mit der Rolle von RNA in der Infektionsbürogy.
00:11:14: Und damit ist es ja so ein bisschen ja die erste zumindest.
00:11:18: Ich weiß nicht, ob die einzige mittlerweile aber die erste Einrichtung, die wirklich so diese beiden Forschungsbereiche miteinander verbindet.
00:11:25: Warum ist das so wichtig, da ein eigenes Institut für zu haben?
00:11:29: Also RNA ist ein Molekül, das sehr, sehr vielfältig ist.
00:11:34: RNA ist nicht nur einfach der Bote, der quasi von DNA zu Proteinsynthese geht, aber RNA ist auch zum Beispiel in enzymatischen Funktionen wie zum Beispiel in der Proteinbiosynthese.
00:11:50: und anderen Dingen involviert, aber RNA ist auch sehr wichtig in der Regulation von Genexpression und das beinhaltet beispielsweise auch die Expression von von Virulenzfaktoren in bakteriellen Patogen.
00:12:05: und hier setzen wir eben an und versuchen zu verstehen, wie Patogene RNA einsetzen, um beispielsweise ihr Infektionsprogramm zu regulieren, wie reagieren die Würte darauf auf RNA-Ebene, wie können wir beispielsweise auch RNA manipulieren, um die Virulenz von Pathogen zu regulieren und so weiter.
00:12:31: Und das ist das, was wir hier erforschen.
00:12:36: Sehr, sehr spannend.
00:12:37: Kommen wir nochmal zurück zu den Phagen.
00:12:40: Von Fagentherapien, also zumindest so in meiner Babel hört man ja vor allem irgendwie über, weiß ich nicht, romane Science-Thriller oder so was oder auch Film.
00:12:51: Wo gibt es denn tatsächlich schon therapeutische Fagen?
00:12:54: Wo werden die eingesetzt dann eben auch als Medikament?
00:12:58: Ja, Fagentherapie ist tatsächlich sehr spannendes Thema, meiner Meinung nach.
00:13:02: Es wird wenig darüber berichtet, aber es sei schon vor über hundert Jahren, haben die Leute das erste Mal Fagentherapie tatsächlich am Menschen angewandt.
00:13:12: Und also quasi kurz nachdem Fagen überhaupt entdeckt wurden als biologische Entität, hat man sie direkt benutzt, um Infektionen zu behandeln.
00:13:23: Und dann wurde dann ... Später wurde das Penicillin beispielsweise als eines der ersten wichtigen Antibiotika entdeckt und das hat einen richtigen Durchbruch in Antibiotika-Forschung gebracht, weshalb dann die Entwicklung von Fagentherapie mehr oder weniger aufgehört hat, zumindest in den westlichen Ländern.
00:13:44: In der Sowjetunion, insbesondere in Georgien im Vergleich, wurde aber die Phagentherapie weiter stark erforscht und insbesondere Georgien ist bis heute so ein Hub auf der ganzen Welt, wo wirklich Fagentherapie eine der wichtigsten Behandlungsmöglichkeiten für bakterielle Infektionen ist.
00:14:05: Im Westen ist das nach wie vor nicht so richtig der Fall, aber dadurch, dass wir aktuell ein großes Problem mit Antibiotika-Ressistenzen haben, hat man sozusagen die Fagentherapie so ein bisschen wieder entdeckt.
00:14:18: Und es wird auch im Westen jetzt wieder deutlich mehr daran geforscht, um in Prinzip die Phagen einzusetzen, um insbesondere schwer zu behandelnde Infektionen dann doch möglicherweise behandeln zu können.
00:14:33: Hier ist es so, dass in Deutschland, wenn wir nach Deutschland schauen, es gibt aktuell kein zugelassenes Medikament auf dem Markt mit Fagen.
00:14:42: Aber per se sind Fagen erst mal zur Behandlung erlaubt.
00:14:46: Das heißt also, insbesondere bei Infektionen, bei denen andere Therapien schon versagt haben, können Fagen durchaus als Ultima Ratio angewendet werden.
00:14:57: Ein Beispiel ist das nationale Zentrum für Fagentherapie an der medizinischen Hochschule in Hannover, die zusammen mit dem HCI beispielsweise auch ein gemeinsames Forschungsinstitut, das Zentrum für Individualisierte Infektionsmedizin, führt.
00:15:13: Und dort werden unter anderem eben Fagentherapien an Patienten tatsächlich auch durchgeführt.
00:15:22: Zusätzlich gibt es auch noch viele klinische Studien, die aktuell laufen, um eben Fagen tatsächlich als Medikamente auf dem Markt zu bringen.
00:15:31: Spannend, ja.
00:15:32: Also fragt man sich, ne?
00:15:33: So wann kommt das irgendwie hier?
00:15:35: Und was muss man dafür denn eigentlich noch ausfinden, damit das hier auch wirklich angewendet werden kann, so in der Breite, sag ich mal?
00:15:41: Ja, da gibt es natürlich noch sehr viel, was erforscht werden muss.
00:15:45: Und also zum Beispiel das, was wir in meiner Arbeitsgruppe insbesondere erforschen, ist... quasi das Spiel zwischen den Bakterien und den Phagen.
00:15:56: Also beispielsweise, wie verteidigen sich die Bakterien eigentlich gegen die Infektion?
00:16:01: Das hatten wir ja schon mit dem Immunsystem, der Bakterien quasi ein bisschen besprochen.
00:16:05: Aber auch, wie können die Fagen eigentlich die Bakterien infizieren?
00:16:09: Die müssen quasi die bakterielle Zelle übernehmen.
00:16:13: Und dann kann man sich es vorstellen, dass sie da so eine Fabrik draus baut, bauen, die nachher nichts anderes macht, als neue Phagen herzustellen.
00:16:21: Und da müssen wir noch relativ viel forschen, um einfach besser zu verstehen, wie das funktioniert, insbesondere auf der molekularen Ebene.
00:16:29: Und das ist wirklich das, was wir bei uns in der Gruppe machen.
00:16:35: Das reicht aber nicht.
00:16:36: Wir müssen auch besser verstehen, wie zum Beispiel Bakterienresistenzen entwickeln können gegen die Phagen, weil das ist natürlich auch ein Problem, ähnlich wie bei den Antibiotika.
00:16:49: Wenn wir Fagen einsetzen, dass die Bakterien da durchaus auch Resistenzen dagegen entwickeln können.
00:16:56: Aber andere wichtige Punkte, die dann schon ... eine Ebene höher sind, ist zum Beispiel die Herstellung von Fagen nach GMP-Prinzipien, die dann auch wirklich als Medikamente eingesetzt werden können.
00:17:07: Da muss dran gearbeitet werden.
00:17:09: Aber auch zum Beispiel die Verabreichung ist nicht trivial.
00:17:13: Insbesondere, wenn man Infektion hat, die eben nicht irgendwie oberflächlich sind, wie zum Beispiel in der Haut oder so.
00:17:20: Da ist es immer noch sehr schwierig.
00:17:22: Zum Beispiel, wenn man sich überlegt, an Piotrka kann man einfach als Tablette nehmen.
00:17:27: Die Phagen müssten dann ja durch den Magen und durch den Darm und so weiter und dann möglicherweise durchs Blut an die Stelle, wo die Infektion ist.
00:17:33: und das ist tatsächlich was, was relativ schwierig ist.
00:17:37: Im Vergleich dazu sind zum Beispiel Cremes oder auch Spray zu Inhalation.
00:17:43: Das funktioniert schon relativ gut.
00:17:45: Also das heißt die Fagen, wenn man sie anwenden möchte, dann müssen sie eigentlich direkt da hinkommen, wo sie wirken sollen.
00:17:53: Also es gibt auch immer mehr Forschung, wo beispielsweise mit einer direkten Injektion ins Blut gearbeitet wird.
00:18:01: Das funktioniert auch teilweise in Mäuschen beispielsweise.
00:18:05: Aber es ist auf jeden Fall nicht so einfach, wie wenn man jetzt zum Beispiel ein Antibiotikum einfach als Tablette zu sich nimmt.
00:18:14: Du suchst ja, glaube ich, mit deiner Forschungsgruppe auch nach neuen Phagen tatsächlich.
00:18:19: Also wie spürt ihr die auf und wo findet ihr die dann?
00:18:23: Ja, also wir suchen tatsächlich auch nach neuen, insbesondere RNA-Fagen, mit dem Hintergrund, dass wir einfach wie schon eingangs erwähnt, wir sehr wenig über diese Fagen wissen.
00:18:36: Wir wissen auch, dass beispielsweise viel, viel mehr verschiedene Familien an RNA-Fragen gibt als die, die wir bis heute isoliert haben.
00:18:44: Das wissen wir, weil wir die Übersequenzierungen in der Umwelt beispielsweise finden können.
00:18:51: Und wie wir das machen, ist es, wir suchen im Endeffekt dort, wo wir die Fagen erwarten, die das Bakterium, das uns interessiert, infizieren.
00:19:00: Also als einfaches Beispiel, wenn wir E. coli nehmen als Bakterium und wir wollen neue Fagen für E. coli finden, dann könnte man beispielsweise in Abwässer gehen oder so, wo wir eben wissen, dass dort viele, dass das ein Produkt ist.
00:19:16: von dort, wo Ecoli leben könnte, also beispielsweise Fäkalien.
00:19:21: Andere Beispiele werden so was wie Bacillus subtidus, was ein Bakterium ist, das in Erde zum Beispiel lebt, dann würde man zum Beispiel in Garten gehen und bis in Erde graben und eben dort schauen, ob man dort solche Fragen findet.
00:19:37: Was ist denn das, was so du als langfristiges Ziel vor Augen hast?
00:19:41: Also gerade auch, wenn ich jetzt nochmal überlege, du hast Eingangs gesagt in Georgien, wird das eben schon auch als Therapeutikum angewendet, durchaus auch breit.
00:19:50: Warum kann man das nicht eins zu eins einfach hier dann übernehmen?
00:19:53: Und was wünschst du dir vielleicht so von deiner Erforschung
00:19:57: auch?
00:19:57: Also, und die Frage mit zuerst zu beantworten, was ich mir davon erhoffe, ist, unter anderem, dass ich sehr daran interessiert bin, einfach neue Biologie auch zu finden.
00:20:10: Wie ich schon erwähnt habe, RNA-Phagen sind sehr wenig verstanden im Vergleich zu DNA-Phagen und auch viel weniger isoliert worden bisher.
00:20:19: Das heißt also hier hoffe ich darauf, neue Biologie zu finden, das hat großes Potenzial, neue Mechanismen zu entdecken und dementsprechend auch hat das Potenzial um eben Fagen zu entdecken, die wir möglicherweise eben auch therapeutisch einsetzen können.
00:20:35: Zusätzlich auch schon wie erwähnt sind Fagen sehr wichtige Quellen für molekulare Werkzeuge und auch hier bietet sich großes Potenzial um eben neue solche Werkzeuge zu entdecken mit der Entdeckung von neuen Fagen.
00:20:52: Und der Grund, warum Fagentherapie in Deutschland nicht standardmäßig eingesetzt ist, ist, dass es eingesetzt wird.
00:21:00: Phagentherapie oder beziehungsweise Medikamente generell ist natürlich ein großer, großer Verwaltungsaufwand.
00:21:08: Und eben, es gibt auch riesigen Haufen an Regularien, die eben erfüllt werden müssen.
00:21:13: Und da ist die Fagentherapie in Deutschland schlicht und ergreifend einfach noch nicht ausgereift genug.
00:21:17: Es gibt keinen klaren Leitfaden, wie die Therapie anzuwenden ist.
00:21:22: Es gibt keine... Medikamente auf dem Markt, die wir einfach in der Apotheke beispielsweise kaufen können.
00:21:31: Das heißt also, es gibt keine definierte Therapiestrategie, die Phagen beinhaltet.
00:21:38: Und dementsprechend sind Fagen auch kein Standardtherapeutikum, das wir in Deutschland nutzen, während hingegen bei uns eben die Antibiotika weiterhin der Standards sind.
00:21:49: Also hier muss sich einfach über die nächsten Jahre was ändern, sodass wir Fragen auch standardmäßig in Deutschland einsetzen können.
00:22:00: Ja, das tragt man sich ja auch so ein bisschen.
00:22:02: Gibt's irgendwas, wo du vielleicht auch einen Appell an die Politik hast, dass du dir da irgendwie wünschst, dass da sich was verändert, damit eben das auch weiter vorangetrieben werden kann?
00:22:12: Wichtig ist auf jeden Fall, dass die Forschung an Phagen weiterhin gefördert wird, zum Beispiel über die DFG und andere Einrichtungen, sodass eben die Möglichkeit gegeben ist.
00:22:25: die Fagen und auch das Zwischenspiel zwischen den Fagen und ihren Wirten besser zu verstehen, was dann die Grundlagen dafür schafft, um beispielsweise Fagentherapie und auch andere Dinge eben voranzutreiben.
00:22:38: Und da kann die Politik ansetzen.
00:22:43: Gleichzeitig ist natürlich auch wichtig, die Voraussetzungen zu schaffen, dass Fagentherapie überhaupt als Standardtherapie möglich wird.
00:22:52: Und auch hier, denke ich, kann die Politik ansetzen, um eben diesen Prozess zu erleichtern.
00:22:58: Du hast ja eben schon gesagt, irgendwie, ne, findest es wichtig und spannend, ja, eben auch dahin zu gucken, wo sonst kaum jemand hinguckt.
00:23:06: Wie bist du eigentlich dazu gekommen zu diesem, ja, relativ exotischen Forschungsfeld?
00:23:12: Ich muss zugeben, das war eher Zufall.
00:23:14: Während ich meine Doktorarbeit gemacht habe, habe ich eigentlich was komplett anderes gemacht.
00:23:19: Das hat ja eigentlich nichts mit Phagen zu tun.
00:23:21: Ich habe dann RNAs und RNA-bindenden Proteinen in Bakterien gearbeitet.
00:23:27: Und da bin ich zufällig auf ein Gen gestoßen, das in einem sogenannten Pro-Fage kodiert ist.
00:23:35: quasi ein Fage, der ins Genom von dem Bakterium eingebaut ist und sich zusammen mit dem Bakterium vermehrt.
00:23:42: Ähnlich wie zum Beispiel Retroviren wie HIV, die das Menschen auch machen.
00:23:46: Und als ich dieses Gen gefunden habe, ist, wie gesagt, es war eher Zufall, dann habe ich mich eben sehr dafür interessiert und damit habe ich immer mehr angefangen über Fagen und Profagen und so weiter zu lesen.
00:23:57: Und mich dann schlussendlich dazu entschlossen, meinen Postdoc Weizmann Institut in Israel zu machen in einer Gruppe, die eben sich auf Fagen spezialisiert hat.
00:24:06: Und so bin ich dann zum Thema Phagen gekommen.
00:24:09: Und als ich meine eigene Arbeitsgruppe aufgemacht habe, habe ich mich eben entschlossen, die weniger erforschten Phagen als mein Kernthema zu nehmen, weil es mich einfach sehr stark interessiert, wie eben diese RNA-Phagen, die auch wirklich minimale Genome haben, mit teilweise nur vier verschiedenen Genen.
00:24:28: Aber trotzdem in der Lage sind eben, die Bakterien zu infizieren und abzutöten, wie das alles funktioniert.
00:24:34: Das ist eben genau das, was mich interessiert.
00:24:37: Sehr spannend.
00:24:38: Und wenn du dann gerade mal nicht an RNA-Phagen forscht, was machst du dann?
00:24:42: Also in meiner Freizeit, ich beschäftige mich viel mit meinem Hund.
00:24:47: Ich gehe gerne lange Gassirunden.
00:24:48: Es ist sehr gut, um ein bisschen auf andere Gedanken zu kommen.
00:24:54: Und für mich ist auch Musik sehr wichtig.
00:24:56: Ich gehe viel auf Konzerte und höre auch sehr viel Musik zu Hause.
00:25:00: Das sind so die zwei Hauptdinge, denke ich, um so ein bisschen auf andere Gedanken zu kommen.
00:25:04: Das gehören so ein bisschen runter zu fahren, um dann auch wieder neue Kreativität zu ermöglichen.
00:25:10: Cool, spannend.
00:25:12: Und zum Abschluss würde ich gerne noch von dir wissen, hast du vielleicht irgendwas, was jeder und jede von uns ja mitnehmen oder auch tun kann, um vielleicht nicht die Fagenforschung voranzutreiben?
00:25:24: Ich glaube, das können wir alle jetzt nicht so wirklich beschleunigen, aber ein Problem oder ein Grund ist ja auch, warum man daran forscht mit dem Antibiotika-Resistenzen.
00:25:33: Und gibt es da was, wo du irgendwie so... weiß ich nicht, so eine kleine Take-home-Message für uns alle noch mitgeben kannst, was wir dagegen tun können.
00:25:40: Also ich meine, als jede einzelne Person die Ausbreitung von Antibiotika-Restistenzen zu verhindern, ist natürlich sehr schwierig.
00:25:50: Einfach ist, gesund zu bleiben, was natürlich gleichzeitig nicht unbedingt immer möglich ist.
00:25:54: Aber falls dann doch eben man krank ist oder so lange man auch gesund ist, sollte man einfach versuchen, Infektionen vorzubeugen und auch die Verbreitung von Bakterien zu begrenzen.
00:26:07: Einfache Dinge wie z.B.
00:26:09: Impfungen.
00:26:09: Es gibt verschiedene Impfungen gegen Bakterien.
00:26:12: Also z.B.
00:26:13: gegen Keuchhusten, Defterie, Tetanus und so weiter.
00:26:16: Das ist eine einfache Möglichkeit, um die Verbreitung einzuschränken.
00:26:21: Aber auch Händewaschen, Lebensmittel korrekt aufbewahren.
00:26:24: Aber auch so was wie Safer Sex.
00:26:26: Das sind so die Dinge, die man, denke ich, im Alltag relativ einfach umsetzen kann, um eben die Verbreitung einzugrenzen.
00:26:33: Super.
00:26:33: Vielen Dank.
00:26:34: Ich glaube, da haben wir jetzt alle einiges noch mal... gelernt und sind den Faggen auch mal ein Stückchen nähergekommen.
00:26:38: Das fand ich persönlich auch sehr, sehr spannend.
00:26:41: Nicht nur Science Fiction, sondern da wird wirklich dran geforscht und das hat wirklich Potenzial.
00:26:45: Sehr cool.
00:26:46: Vielen Dank für das Gespräch.
00:26:48: Ja, danke für die Einladung.
00:26:49: Jens Hör erforscht am Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung an RNA-Phagen, wie sich Bakterien dagegen wehren und wie dieses Wissen uns im Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen helfen kann.
00:27:02: Und übrigens, wenn ihr noch mehr zur Erforschung neuer Wirkstoffe wissen wollt, die uns bei Antibiotika-Resistenzen helfen können, dann hört doch gerne mal in die Folge über antieinfektive Naturstoffe rein.
00:27:13: Darüber habe ich mit Professor Christine Bemelmanns vom Helmholtz-Institut für pharmazeutische Forschung Saarland gesprochen.
00:27:21: Infact ist ein Podcast der Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung GmbH Braunschweig, produziert von TVN Corporate Media, Creative Producer Rolf Rosenstock.
00:27:33: Ich bin Julia Deman.
00:27:34: Das war die siebte und damit letzte Folge unserer zweiten Staffel.
00:27:39: Wir hören uns in Staffel drei wieder.
00:28:07: Ciao!
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